Jeder Verkauf und jede Kundenbeziehung beginnt mit einem Dialog.
Manchmal dauert dieser Dialog nur Sekunden, um zum Kauf zu führen. Aber manchmal spinnt er sich über 8 bis 9 Monate. Es kommt darauf an, welchen Verkauf sie anstreben.
Ich möchte Ihnen zwei kurze, aber sehr lehrreiche Geschichten erzählen, die verdeutlichen, warum manche Abschlüsse eben länger dauern als andere. Danach sollten wir besprechen, wie Sie sich daran orientieren und sich selbst die Arbeit leichter machen können.
Geschichte 1: Zahlen Sie bitte 271.066.382 Dollar
Im Rahmen meiner Tätigkeit in der Fondskonzeption der EastMerchant-Gruppe haben wir so circa einmal im Jahr einen Flugzeugfonds (das ist eine Form der Kapitalanlage für vermögende Privatleute in Deutschland) in Zusammenarbeit mit einem Kapitalanlageanbieter an den Markt bringen können. Der Anbieter nutzte uns als Zulieferer, um sich selbst einen Teil der Arbeit zu ersparen, und konnte sich auf seinen Job als Vermarkter und Vertrieb der Kapitalanlage konzentrieren. Einer der Deals zum Beispiel summierte sich auf diese sagenhafte Summe von 271.066.382 Dollar. Wir als Zulieferer bekamen vom gesamten Kuchen am Ende des Geschäfts einen Prozentanteil als Lohn für unsere Leistungen.
Für Unternehmen, deren Kerngeschäft es ist, solche Kapitalanlagen zu verkaufen, sollte es eigentlich ein No-Brainer sein, sich einen gehörigen Teil der Arbeit von einem Spezialisten abnehmen zu lassen. Denn dadurch kann man seine eigenen Ressourcen darauf verwenden, im eigentlichen Kerngeschäft schlanker, besser und kundenfreundlicher zu werden.
Dennoch mussten wir uns förmlich ein Bein ausreißen, um einen neuen Kunden zu gewinnen.
Es war nicht – wie man jetzt meinen könnte – der hohe Preis für das Geschäft. Denn Investitionen in dieser Größenordnung gehören in der Kapitalanlagebranche zum Tagesgeschäft und schrecken dort keinen gestandenen Manager oder Unternehmer.
Nein, das Problem entstand immer dann, wenn einer unserer Kunden eine Frage stellte, die ungefähr so klang: „Woher weiß ich, dass ich mein investiertes Geld auch in der geplanten Zeit wiederbekomme?„. Das Problem unseres Kunden war offensichtlicht: Er zögerte, weil er das Risiko der Transaktion nicht im Detail bewerten konnte. Sein Kopf wollte den Deal, weil die Zahlen und unsere Expertise als Team überzeugte, aber sein Bauch wurde flau vor den Unwägbarkeiten der Zukunft.
Geschichte 2: Dem geschenkten Gaul… (sie kennen das Sprichwort)
Vor einigen Jahren zählte auch ich zu den Horden von Uni-Besuchern, die in den nächsten Jahren eine Menge an Wissen aufsaugen sollten, aber vor dem ersten Job praktisch kaum eine praxisrelevante Erfahrung machen würden. Die Praktika, die ich bis dato gemacht hatte, verdienten ihren Namen nicht. Denn sie waren mehr eine Geduldsübung von 9 bis 17 Uhr, da die Aufgaben, die man uns gab, lieber noch einen Tacken einfacher gestaltet wurden, damit bloß keine Rückfragen auftauchten, die die „richtigen“ Mitarbeitern Zeit kosten könnte.
Kurze Zeit später saß ich dann auch wie fast alle anderen Erstsemester im Büro eines Finanzdienstleisters. (Übrigens, dieser Finanzdienstleister ist heute ein enger Freund und ich hoffe, er nimmt alsbald einmal meine Einladung in die Sendung an, da er wirklich einige witzige Geschichten aus der Praxis erzählen kann.) Wir unterhielten uns gefühlt drei Stunden über meine Ausbildung, meine Pläne und meine privaten Ziele.
Ich wusste, dass es auch darum gehen würde, mir eine Police zu verkaufen, an der sowohl Abschluss- wie auch Bestandsprovisionen hingen. Deshalb war ich auch mittelschwer überrascht, als er mir am Ende des Gesprächs erstmal ein völlig unerwartetes Angebot machte. Ich sollte den Auftrag für ein kostenloses Konto abgeben, das weder Einrichtungskosten noch laufende Gebühren oder Transaktionskosten hatte.
Mir war mit meinen 19 Lenzen spontan nicht klar, warum er ein Geschäft machen wollte, das mich nichts kostet und ihm daher wohl auch kaum etwas bringen würde.
Selbstverständlich dachte ich bei diesem Angebot keine Sekunde nach und schrieb meinen Namen unten rechts hin.
Neugierig wie ich bin, fragte ich ihn aber auch direkt, warum er mir denn jetzt keine teuren Versicherungsprodukte anbieten wolle – wir hätten doch im Gespräch bereits wichtige Stellschrauben entdeckt, die es abzusichern gelte. Daraufhin lachte er nur freundlich und erklärte es mir.
Ich verließ danach das Büro mit einem neuen, kostenlosen Konto, auf das ich meinen Lohn als Werkstudent am Lehrstuhl würde einzahlen lassen. Ich war erleichtert, ein Konto zu haben, das mich nichts kostet, und das ich zusätzlich auch komplett online steuern konnte, was bei der örtlichen Sparkasse leider nicht ging. „Das Konto macht mir meinen Alltag leichter, ohne mich etwas zu kosten. Cool!“, dachte ich grinsend.
Randnotiz: Dieser Finanzdienstleister ist wahrscheinlich der teuerste Mensch, der mir je über den Weg gelaufen ist. Damit meine ich, dass noch kaum jemand soviel Geld von mir erhalten hat wie er. Umso wichtiger ist die Erkenntnis: Es begann mit einem kostenlosen Angebot – das ich genau deswegen nicht ausschlagen konnte.
Manche Verkäufe dauern eben länger, weil das Maß an Vertrauen besonders groß sein muss
Wie gesagt, jeder neue Umsatz und jede Kundenbeziehung startet auch bei Ihnen mit dem ersten Dialog. Das kann ein persönliches Gespräch sein. Es kann aber auch ein Webseitenbesuch sein. Es ist Ihre Aufgabe, von beiden Arten der Kontaktaufnahme an einen Weg einzuschlagen, der das nötige Vertrauen entstehen lässt. Erst wenn ausreichend Vertrauen in Sie, aber auch in die zu erwartenden Ergebnisse Ihrer Arbeit bestehen, können Sie einen Kauf durch Ihren Interessenten erwarten.
Ihr Marketingkanal, also die Schritte und Abfolge, mit der Sie einen neuen Kontakt zum Interessenten und einen Interessenten zum Kunden machen, muss also das wahrgenommene Risiko des Geschäfts auf das mögliche Minimum reduzieren.
Leider Gottes hatten wir bei der EastMerchant kein Angebot, das ohne Risiko war und trotzdem Interessenten zu Kunden machte. Wie so viele andere Dienstleister verlangten wir einerseits einen vernünftigen und angemessenen Preis für unsere Arbeit. Da wir ein gut zehnköpfiges Team waren, das ein Jahr lang an einer einzigen Transaktion arbeitete, kamen wir am Ende eben auf einen siebenstelligen Deckel.
Andererseits aber besteht am Anfang einer neuen Bekanntschaft keinerlei Vertrauen, eben weil man sich noch gar nicht kennt. Unser Angebot als EastMerchant war kostspielig und mit einigen Risiken verbunden. Logische Folge davon ist, dass wir jedes Mal aufs Neue einige Monate für den Abschluss eines neuen Auftrags arbeiten mussten.
Warum Sie die Kaufhürden dem Maß an Vertrauen anpassen sollten
Diese beiden Geschichten zeigen: Je „riskanter“ ein Angebot ist, das Sie machen, desto mehr Vertrauen muss vorher aufgebaut werden – und dieser Vertrauensaufbau kostet eben Zeit.
Manche Leistungen – also vor allem erklärungsbedürftige Leistungen sowie Produkte, die teuer sind oder den Kunden langfristig binden – werden immer ein gehöriges Maß an Vertrauen benötigen. Um diese Leistungen zu verkaufen, können Sie keine Abkürzung nehmen. Wenn Sie aber wie mein Finanzberater auch mehrere Leistungen und Angebote anzubieten haben, dann sollten Sie diese nach dem Maß an Vertrauen sortieren, das für den Kauf nötig ist.
Mein Finanzberater hat nicht versucht, die teuren Produkte anzubieten und dazu zuerst das nötige Vertrauen über Wochen aufzubauen. Sondern er darauf abgezielt, mir genau das Angebot zu machen, das dem Maß meines Vertrauens nach dem Erstgespräch entsprach.
Und so hat diese Vorgehensweise für meinen Finanzberater gefruchtet:
- Er bot mir nur das kleinste mögliche Geschäft an, obwohl ich Bedarf und Interesse an mehr signalisiert hatte.
- Ich entschied mich, ihm zu vertrauen und wurde sein Kunde – aber ohne ein gefühltes Risiko einzugehen, weil er mir ein praktisch risikoloses Produkt verkauft hat.
- Das Produkt selbst überzeugte, sodass ich meinen Vertrauensbeweis nicht bereute.
- Weil ich gelernt hatte, dass mein Vertrauen gerechtfertigt ist, war ich seinen Angeboten gegenüber fortan weniger kritisch eingestellt.
- Schon bald darauf schloss ich auch die wirklich teuren, jahrezehntelang laufenden Versicherungsverträge ab.
Seine Alternative wäre gewesen, mich ein paar Tage oder Wochen später nochmal zu einem Gespräch einzuladen, um weiter persönlich am Vertrauensaufbau zu arbeiten. Stattdessen hat er sich dafür entschieden, den Vertrauensaufbau zu beschleunigen und mich so schnell wie möglich in den Genuss seiner Leistungen kommen zu lassen.
Ich finde, Sie sollten das Konzept übernehmen, wenn Sie zukünftig zügiger Interessenten in echte Kunden verwandeln wollen.
Denn wenn Sie Ihre Produkte nach dem Maß an Vertrauen sortieren, kommen Sie schneller zum Abschluss mit einem neuen Interessenten. Der neue Interessent bezahlt dafür aber nicht nur den Preis, sondern er bezahlt auch mit einem Vertrauensbeweis. Beides davon fällt ihm leicht, wenn Sie ihm nur ein kleines Risiko abverlangen – und führt zu einem Vertrauensvorschuss, wenn Ihre „kleine“ Leistung überzeugen kann. Genau dieser dokumentierte und nicht verspielte Vertrauensbeweis ist es, der Ihnen später einen Vertrauensvorschuss gewährt, wenn Sie später auch teurere Angebote unterbreiten.
Unter dem Strich sparen Sie so auch beim Verkauf der teuren Produkte Zeit, weil Ihr Kunde vorher bereits einen Vertrauensbeweis geliefert hat und aufgrund guter vorheriger Leistungen Ihnen gegenüber weniger kritisch eingestellt ist.
Frage an Sie: Welches Angebot machen Sie Ihren neuen Interessenten zuerst? Und wie bauen Sie das nötige Vertrauen dafür auf?